Nummer 41 · 15. Oktober 2022 Wochenblatt für den Mühlenkreis · Weserspucker
In getauschten Rollen
Die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten im Kreis Minden-Lübbecke haben sich etwas
Neues überlegt, um Jugendliche auf die Idee zu bringen, ihren zukünftigen Beruf unabhängig
von althergebrachten Geschlechterrollen zu wählen.
PR. OLDENDORF. „Wir wollen
sie für eine klischeefreie
Berufswahl sensibilisieren“,
sagt Andrea Kneller, Gleichstellungsbeauftragte
der
Stadt Preußisch Oldendorf.
Dafür haben sie und ihre Kolleginnen
sich eine Plakataktion
ausgedacht. Das Plakat
zeigt zwölf Menschen, die in
männer- beziehungsweise
frauenuntypischen Berufen
arbeiten – und zwar in heimischen
Unternehmen und
Einrichtungen. „Wir haben
uns ganz bewusst dafür entschieden,
nicht wie sonst
häufig üblich Models für die
Fotos zu nehmen, die bestimmte
Berufe darstellen“,
sagt Andrea Kneller. „Es ging
uns darum, echte Menschen
aus diesen Berufen vorzustellen
– aus unserem Kreisgebiet.“
So werde die Botschaft
authentischer vermittelt.
Denn die Fotos sollen laut
Kneller Rollenklischees aufbrechen
und deutlich machen,
dass es bei der Berufswahl
nicht darum geht, einer
Geschlechterrolle zu entsprechen,
sondern einen Job zu
finden, der zu den eigenen Interessen
und Fähigkeiten
passt. Wie wichtig das für sie
selbst bei ihrer Berufswahl
war, erzählen zwei der auf
dem Plakat Abgebildeten aus
Preußisch Oldendorf und Bad
Holzhausen. Franziska Ellemund
ist gelernte Zerspanungsmechanikerin,
Wirtschaftsingenieurin
und Firmeninhaberin
des Preußisch
Oldendorfer Familienunternehmens
Ellemund Präzisionsteile
und Metalltechnik.
„Fürmich war früh lange klar,
dass ich gerne mit Metall
arbeiten wollte.“ Damals sei
ihr allerdings von vielen abgeraten
worden. „Aber mein
Vater, der fand das super.“ Sie
selbst ist nach wie vor glücklich
mit der Entscheidung,
ihren Beruf nach ihren persönlichen
Interessen zu wählen.
Dasselbe gilt für Bartel
Kamke, der als Erzieher in
einer Wohngruppe arbeitet.
„Zuerst wusste ich nicht so
recht, was ich machen will. Da
habe ich das gemacht, wozu
mir meine Familie und
Freunde geraten haben“, sagt
er. Es ging in Richtung kaufmännischer
Ausbildung. Bartel
Kamke besuchte die höhere
Handelsschule, stellt
aber im Rückblick fest: „Das
war nie so richtig meins.“ Für
seinen heutigen Beruf als Erzieher
entscheid er sich,
nachdem er nur ein Wochenende
lang eine Bekannte bei
ihrer Arbeit begleiten durfte.
Andrea Kneller betont zum
Ziel der Plakataktion: „Dabei
soll deutlich werden, dass
beispielsweise Fürsorge und
Empathie keine rein weiblichen
Eigenschaften sind und
Männer genauso im Gesundheits
und Sozialwesen
arbeiten können, wo sie
eigentlich sogar unverzichtbar
sind“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte.
„Umgekehrt
sind Frauen im
Handwerk meist besonders
engagiert, schließen ihre Prüfungen
häufig mit Bestnoten
ab und qualifizieren sich weiter.“
Die Plakate werden nun
kreisweit in den weiterführenden
Schulen ausgehängt,
so dass speziell Schülerinnen
und Schüler ab der achten
Klasse darauf aufmerksam
werden. Sie werden aber auch
in anderen öffentlichen Orten
und Einrichtungen aufgehängt
– wie zum Beispiel
Stadtbüchereien oder bei der
Agentur für Arbeit. Die Plakataktion
ersetzt den sogenannten
Mädchenmerker.
Dieser Taschenkalender wurde
bis zum vergangenen Jahr
aufgelegt und kostenlos speziell
an Mädchen an weiterführenden
Schulen verteilt.
Darin wurden ebenfalls das
Beispiele von Berufswahl unabhängig
von Geschlechterrollen
thematisiert.
WB/aha
Bartel Kamke und Franziska Ellemund haben einen
für ihr Geschlecht eher untypischen Beruf erlernt.
Er ist Erzieher und sie Zerspanungsmechanikerin und
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